27.07.2014  Internationales

Über Integrationsprobleme lässt sich nur sachlich streiten

Seit Jahren engagiere ich mich für das „Internationale Parlaments-Stipendium“ des Bundestags: Dafür wähle ich auch junge Stipendiatinnen und Stipendiaten aus arabischen und Maghreb-Staaten aus. Ich erlebe dabei, wie erstrebenswert für diese junge Generation unsere Demokratie und Verfassung mit all ihren rechtsstaatlichen Freiheitswerten sind. Auch deswegen regen mich BAMS-Kommentare wie der von Nicolaus Fest so auf.

Über Integrationsprobleme lässt sich sachlich streiten, dabei verbietet sich jede plumpe Verallgemeinerung. Der BAMS-Kommentar enthält eine Reihe an Parolen „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“. Was der Autor zu Papier bringt, ist pure Islamophobie – also nichts anderes als eine Form des Rassismus. Wer Muslimen pauschal eine höhere Kriminalität, Zwangsheirat, „Ehrenmorde“, Frauen- und Homosexuellen-„Verachtung“ zuschreibt, argumentiert rassistisch. Die Hetze des Kommentators schürt Vorurteile und Ressentiments gegen den Islam und die Muslime. Eine Religion in dieser Weise pauschal abzulehnen, grenzt deren Angehörigen aus, die in ihrer übergroßen Mehrheit friedlich zusammenleben.

Weder der Buddhismus, das Christen- oder Judentum noch der Islam sind ein Integrationshemmnis. Religiöser Fanatismus und radikaler Islamismus sind hochproblematisch und müssen zurückgedrängt werden. Sie mit „dem Islam“ gleichzusetzen ist journalistisch fahrlässig und grob verunglimpfend.

Der BAMS-Kommentar ist umso beschämender, nachdem BILD zwei Tage zuvor mit Zitaten öffentlicher Personen gegen Antisemitismus titelte. Denn Hetze gegen Juden lässt sich nicht mit Hetze gegen Muslime bekämpfen. Die derzeitige dringend notwendige Antisemitismus-Debatte darf nicht dazu missbraucht werden, Stimmung gegen „die Muslime“ zu machen. Es ist und bleibt perfide, die eine Minderheit gegen die andere auszuspielen. Auf diese Weise schürt man nur weiter die Spirale aus feindseligen Mentalitäten und Hass gegenüber Minderheiten.

Der BAMS-Kommentar reproduziert plumpe Stereotype – wie es auch für andere gesellschaftliche Gruppen inakzeptabel wäre. Unsere Gesellschaft ist in den vergangenen Jahrzehnten schrittweise pluralistischer, internationaler und liberaler geworden. Dennoch sind rassistische, antisemitische, islamophobe und homophobe Stereotype in Teilen aller  Gesellschaftsschichten leider virulent geblieben – das belegen u.a. die Studien über „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ der Universität Bielefeld. Wir alle müssen darauf achten und dafür tagtäglich eintreten, dass sie nie wieder salonfähig werden! Diskriminierung darf nicht toleriert, sondern muss entschieden bekämpft werden.

Egal ob Juden, Homosexuelle, Muslime, Schwarze oder Obdachlose: Wer Zielscheibe von Diskriminierung und Ausgrenzung wird, muss sich darauf verlassen können, dass unsere Gesellschaft und unser Staat dies zurückweisen und ihn schützen. Sonst riskieren wir das friedliche und solidarische Zusammenleben, das wir in unserer – längst multikulturellen – Demokratie auf der Basis unseres Grundgesetzes gemeinsam wollen. Es geht darum, gesellschaftliche Vielfalt wertzuschätzen und sie zu verteidigen. Auch, indem wir Journalisten widersprechen, wenn wir von ihrer Hetze nichts halten.