Zur Forschungsfreiheit und deren vermeintlichen Einschränkung erklärt Kai Gehring, Sprecher für
Forschung, Wissenschaft und Hochschule der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen:
„Die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre ist ein hohes Gut, das hierzulande zurecht mit
Verfassungsrang geschützt wird. Es ist Aufgabe der Politik, für Wissenschaftsfreiheit
beste Rahmenbedingungen zu setzen – vor allem, indem eine gute Finanzierung sichergestellt wird,
Forschende und Lehrende vor Übergriffen geschützt werden. Doch in den letzten Jahren erreichen
mich immer mehr beunruhigende Nachrichten, wonach Wissenschaftler*innen aus meist rechten
Netzwerken attackiert und bedrängt werden: Wenn im Internet Geschlechterforscherinnen oder
Klimaforscher bedroht werden oder es rassistische Angriffe auf Studierende und internationale
Wissenschaftler*innen gibt, sind das alarmierende Attacken auf Wissenschaftsfreiheit, sie mit
Konsequenz verfolgt werden müssen. Darum begrüße ich, wenn sich Hochschulen z.B. dem
Netzwerk „Weltoffene Hochschule gegen Fremdenfeindlichkeit“ anschließen und Diversity-Leitbilder
etablieren und dafür sorgen, dass Vielfalt wertgeschätzt wird und bei ihnen alle studieren, lehren
und forschen können.
Die Debatte um sogenannte „Political Correctness“und „Cancel Culture” in der Wissenschaft baut
einen Popanz auf und hilft bei der Lösung echter Probleme nicht weiter. Hinter dieser
rechtskonservativen Chiffre verstecken sich viele, um eigene Ressentiments weiter zu pflegen. Dabei
geht es doch schlicht um Anstand im Miteinander. Rassistische Diskriminierungen sind keine
Meinung und nicht durch Wissenschaftsfreiheit geschützt. Früher hieß es: „Das sagt man nicht, das
beleidigt“ – und es war breit akzeptiert. Der Kreuzzug gegen eine vermeintliche „Political
Correctness“ öffnet damit Tür und Tor für radikalisierte Sprache und rechtspopulistische Diskurse.
Damit wird letztendlich genau der Diskursraum verengt, um den es den Anklägern der
vermeintlichen „Cancel Culture“ angeblich geht. Wenn Studierende gegen eine Entscheidung der
Hochschule protestieren oder Wissenschaftler für ihre Aussagen in den Medien kritisch befragt
werden, hat das nichts mit Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit zu tun, sondern zeugt gerade
von einer lebendigen, demokratischen Debatte auf den Werten unseres Grundgesetztes. Freiheit der
Wissenschaft heißt nicht Diskurs- oder Widerspruchsfreiheit, sondern lebendiger Austausch, aktive
Wissenschaftskommunikation und zurückdrängen von echten Feinden der Wissenschaft.