Zum heute vorgestellten OECD-Bericht „Bildung auf einen Blick 2017“ erklären Özcan Mutlu, Sprecher für Bildungspolitik, und Kai Gehring, Obmann im Ausschuss für Bildung, Forschung, Technikfolgenabschätzung:
Selbstlob stinkt. Wie richtig diese alte Weisheit ist, zeigt der Umgang der Bundesregierung mit dem neuen OECD-Bildungsbericht. Der aufgeblasenen Schlagzeile, Spitze in der MINT-Bildung zu sein, geht bei der Lektüre des Berichts schnell die Luft aus. Das deutsche Bildungssystem ist im internationalen Vergleich unterfinanziert. In kaum einem anderen Land ist es für Kinder, deren Eltern nicht studiert haben, schwerer, den Aufstieg durch Bildung zu schaffen. Und zur Erfolgsmeldung bei der MINT-Bildung gehört der traurige Fakt, dass der Anteil von Frauen an allen Absolventinnen und Absolventen gesunken ist. Die Lücke zwischen Frauen und Männern in diesen Berufen wird damit absehbar größer, nicht kleiner. Die Förderprogramme des unionsgeführten Bundesbildungsministeriums erzielen ganz offensichtlich nicht den beabsichtigten Effekt.
Die Regierung hat auch in anderen Bereichen viel Zeit vertan: Vor einem Jahr betonte Bundesbildungsministerin Wanka, wie wichtig die Digitalisierung in der Bildung sei. Seither hat sie dazu aber nichts vorangebracht. Die Länder haben eine Strategie, der Bund eine Offensive angekündigt, aber sie kommen nicht zusammen. Das nötige und schon mehrfach versprochene Bundesgeld ist im Haushalt nicht zu finden. Gerade für die MINT-Bildung ist die Digitalisierung der Schulen aber existenziell, denn sowohl die Ausbildungen als auch die Studiengänge setzen hohe digitale Kompetenzen der Schulabgängerinnen und Schulabgänger voraus. Hier verspielt die Union eine gute Ausganglage für den Innovationsstandort Deutschland.
Am Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungschancen hat Ministerin Wanka nichts ändern können. Im OECD-Durchschnitt haben 20 Prozent der 30 bis 44-Jährigen, deren Eltern nicht studiert haben, einen Hochschulabschluss. In Deutschland sind es gerade einmal 14 Prozent. Chancengerechtigkeit sieht anders aus.
Gewaltige Steuerüberschüsse und unterfinanzierte Bildungseinrichtungen passen nicht zusammen. Bund und Länder müssen partnerschaftlich mehr Geld in Bildung, Forschung und Entwicklung investieren. Wenn die Eltern von Flensburg bis Füssen nach mehr guten Ganztagsschulen für ihre Kinder rufen, dann darf sich eine Bundesbildungsministerin nicht mit beiden Händen die Ohren zuhalten, sondern muss mit anpacken. Das groteske Kooperationsverbot in der Bildung muss endlich abgeschafft werden. Es geht nicht um den Wettbewerb zwischen 16 Bundesländern, sondern Deutschland steht in Konkurrenz und im Leistungsfähigkeitswettbewerb mit beispielsweise China und Finnland.