Zwischen den Jahren 1961 und 1990 wurden fast 900 Studien in der DDR im Auftrag westlicher Pharmaunternehmen durchgeführt. Bereits Anfang der 90er Jahre wurde die Rechtmäßigkeit dieser Studien in Zweifel gezogen. Daraufhin beschäftigte sich eine Kommission der Berliner Ärztekammer mit Studien an vier Ostberliner Krankenhäusern im Zeitraum von 1987 bis 1990. Die Kommission sah keinen Anlass zur generellen Kritik an den Arzneimittelerprobungen, bemängelte aber dass Schäden aus den klinischen Studien kaum registriert und die Patientinnen und Patienten nur unzureichend aufgeklärt worden seien.
Im Jahr 2013 berichtete „DER SPIEGEL“ erneut kritisch über die klinischen Studien in der DDR („Günstige Teststrecke“, DER SPIEGEL vom 22. Mai 2013). Im gleichen Jahr wurde eine Kommission um den Medizinhistoriker Volker Hess damit beauftragt, zu untersuchen, ob die Studien rechtmäßig und ethisch vertretbar waren. Der hauptsächlich von dem bzw. der Bundesbeauftragten der Bundesregierung für die neuen Bundesländer sowie von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur geförderte Abschlussbericht wurde im März 2016 veröffentlicht. Finanziell unterstützt wurde das Vorhaben zudem durch die Bundesärzteammer, einige Landesärztekammern sowie zwei Verbänden der pharmazeutischen Industrie. Die Forscherinnen und Forscher stützten sich bei der Quellenrecherche insbesondere auf Akten des DDR-Beratungsbüros für Arzneimittel und medizintechnische Erzeugnisse, Akten des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, Unterlagen in den damals beteiligten Kliniken sowie auf von den beteiligten pharmazeutischen Unternehmen bereitgestelltes Quellenmaterial. Auf der Grundlage einer durch die Forscherinnen und Forscher vorgenommenen „exemplarischen Auswahl von 13 Arzneistoffen“ trafen die beteiligten Unternehmen offenbar eine Vorauswahl der bereitgestellten Quellen. Es ist mithin fraglich, ob diese Quellen überhaupt einen repräsentativen Überblick ermöglichen. Auch der Wissenschaftliche Beirat zum Abschlussbericht stellt fest, dass nur ein geringer Teil der in den Unternehmensarchiven lagernden Materialien gesichtet werden konnte, der noch dazu firmenseitig nach unterschiedlichen Kriterien vorselektiert worden sei.