Die Debatte um einen angeblichen Akademisierungswahn wird schärfer. Eine Allianz aus konservativen Bildungsbürgern und Wirtschaftsvertretern warnt vor dem „Universitätsstudium für alle“ und einem Exitus der dualen Berufsausbildung – vorneweg Prof. Nida-Rümelin. Die Kontroverse speist sich aus Emotionen, aber nicht aus Fakten. Sachlichkeit tut not!
Brauchen wir mehr oder weniger Akademiker*innen? Künftige Qualifikationsbedarfe lassen sich nicht präzise vorhersagen. Einseitig auf Studium oder Ausbildung zu setzen, ist daher töricht. Als Hochtechnologieland und Wissensökonomie brauchen wir weiter Hochqualifizierte, also mehr Meister und mehr Master. Qualifizierte Berufs- und Hochschulabschlüsse sind die Eintrittskarte zur Arbeitswelt. Damit sind die zentralen Fragen: Was will der oder die Einzelne? Wie entfalten alle ihr Potenzial? Wie vermeiden wir Bildungsabbrüche?
Absolventen mit guten Chancen
Die Hochschulen haben ein Jahrzehnt der Studierenden-Rekorde erlebt. Ein Studium ist attraktiv: Akademiker erhalten oft höhere Einkommen, sind seltener arbeitslos. Auch Absolvent*innen beruflicher Bildung haben gute Chancen: Ihr großes Plus ist die betriebliche Praxis. Sie sind Stütze des Mittelstands, begehrte Fachkräfte und wirtschaftlicher Erfolgsfaktor.
Bedroht der Uni-Run das duale System? Nein! Denn beides wird stark nachgefragt: Studien-und Ausbildungs-Plätze. Das Interesse am dualen System ist ungebrochen, zeigt der Berufsbildungsbericht. Seit Jahren wollen rund 20% der Studienberechtigten eine Berufsausbildung machen, bei nicht-akademischen Eltern sind es gar 25%.
Krise des dualen Systems hausgemacht
Was ist also das Problem? Trotz guter Konjunktur sank die Zahl abgeschlossener Ausbildungsverträge mit rund 522 000 auf ein historisches Tief. Nur 20,7% aller Unternehmen bilden überhaupt noch aus. Ein starkes Stück also, wenn ausgerechnet der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages eine „Überakademisierung“ beklagt und Studienplatzabbau fordert. Die Krise des dualen Systems ist hausgemacht und nicht auf eine gestiegene Studierneigung zurückzuführen. Es wird schlicht zu wenig ausgebildet. Nicht der Trend zu akademischen Berufen ist ein Problem, sondern die Einkommensschere zwischen Akademikern und Facharbeitern. Hier müsste der DIHK gegensteuern!